Entfremdung.
Das ist kein „Pamphlet“ gegen Remote Work. Es ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit von Arbeitsplätzen – remote oder vor Ort – die mehr Magnetismus ausstrahlen, als ein monatlicher Kontoauszug.
Einige Jahre vor der Pandemie habe ich für ein sehr großes Call-Center in Deutschland Führungstrainings und Teambuildings durchgeführt. Dabei sind wir auf eine systemimmanente Hürde gestoßen: Die Auftraggeber des Call-Centers verlangten von ihrem Dienstleister, dass die Menschen und die Räume, in denen sie arbeiteten, im Sinne der betreuten Marken gebrandet sein mussten. Wenn jemand also für den Kunden XY das Telefon bediente, dann saß die Person in einem Großraumbüro, in dem Fahnen und Wimpel des Auftraggebers hingen und die Menschen an den Kopfhörern hatten natürlich auch Shirts in den Farben und mit dem Logo der Marke an, für die sie telefonierten. Das wurde von den Auftraggebern auch kontrolliert und ein „positives“ Kontrollergebnis wirkte sich auf das Honorar des Dienstleisters aus. Und es war gut für die innere Zuwendung der Telefonierenden.
Zugleich war es ein Hindernis für die Loyalität der Mitarbeitenden zu jenem Unternehmen, das ihnen am Monatsende ihr Gehalt überwies. Die Führungspersonen brauchten ganz spezielle Talente, um ihre Mitarbeitenden im Sinne des arbeitgebenden Unternehmens zu führen.
In Zeiten wie diesen erinnere ich mich oft an diese Beobachtungen. Viele Mitarbeitende – speziell bei Dienstleistern – arbeiten im Home-Office. Manche möchten von dort gar nicht mehr in ihre „früheren“ Büros zurück. Einige waren dort noch nie, weil sie erst im pandemischen Szenario zu ihren aktuellen Arbeitgebenden gefunden haben. Wenn diese Personen nun im besten Wortsinn ihre „Dienste leisten“, dann tun sie das in zunehmendem Maß für die Auftraggeber ihrer Arbeitgeber.
Und ihre „Dedication“ gehört den Auftraggebern und nicht den Arbeitgebern. Das kann zu einer tiefgreifenden Entfremdung zwischen jenen, die die Gehälter zahlen und jenen, die sie empfangen, führen. Die Corporate Identities, Firmenkulturen, non tangible assets, ungeschriebenen Gesetze und Feinstofflichkeiten des arbeitgebenden Unternehmens erodieren, werden hohl und zu bloßen Lippenbekenntnissen in Mission Statements. Im Zweifel gehen dann die dienstleistenden Arbeitnehmenden mit ihren „wahren“ Arbeitgebenden mit, wenn diese die Dienstleister wechseln.
Ein Querschnittsgewerk von „Bedarfs-Spezialisten“ entsteht, die sich nicht an den Werten von Firmen, IN denen sie arbeiten, orientieren, sondern nur noch an den Bedürfnissen von Auftraggebern, FÜR die sie arbeiten. Dieser Trend ist nicht neu.
Was fehlt, ist eine substanzielle Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung.