45 Jahre Kommunikation.
Vor 45 Jahren startete ich mein Studium in Wien. Politikwissenschaft und Publizistik.
Vor 39 Jahren – im November – promovierte ich.
Kurz danach begann ich in der und für die Kommunikationswirtschaft zu arbeiten. Bis heute.
Also 45 Jahre Kommunikation.
Ohje, Boomer-Verdacht! Kann sein. Ist mir egal.
Ich bilde mir ein, durch den Alltag mit den aktuellsten AkteurInnen auf dem Feld der Kommunikation schon mit dem positiven Verbot zu leben, ja nicht stehen zu bleiben und blind zu werden für das, was geschieht.
Gerade deswegen wage ich es, ein paar „eherne“ Grundsätze zusammenzuschreiben, die am Beginn meiner Laufbahn schon gegolten haben und aus meiner Sicht weiterhin gelten sollten. Und natürlich gibt es eine große Zahl von seitdem entdeckten „Gold-Nuggets“, die mir lieb und wert sind.
• Eine Idee.
Es gab einmal Kreativ-Direktoren (meist männlich), die drohten dem Beratungspersonal mit dem Verlust edler Körperteile, wenn sie den Unterschied zwischen Idee und Umsetzung nicht kapierten und gegenüber dem Kunden nicht hochhalten konnten.
Sie illustrierten die Faszination einer Idee mit einem Bild: Man könnte über Australien und über Finnland die jeweils gleiche Idee mit einem Fallschirm abwerfen und die empfangenden Kreativen würden mit unterschiedlichen Umsetzungen, aber der identischen Richtung ihre Konzepte entwickeln. Anders formuliert: Die Idee ist der Kompass, die Umsetzung die Landkarte.
Dafür habe ich gekämpft. 20 Jahre lang. Wer da nicht mitmachen wollte, durfte gerne sein Glück anderswo versuchen.
• Ein strategischer Leitgedanke ist kein Slogan.
So ein wunderbarer „Insight“ kann schon recht verführerisch sein und doch ist er „nur“ das Briefing für die großartigen Wortakrobaten, die daraus erst einen „Slogan“ bauen. Kann man leider oft beobachten, wie sich Kunde oder Planner gegen die Kreation durchgesetzt haben.
• Ein/e BeraterIn ist die BotschafterIn der Kreation beim Kunden und nicht die BotschafterIn des Kunden in der Kreation.
Das war mir immer ein Herzensanliegen und strenger Anspruch an mich selbst, den ich auch nicht ausnahmslos, aber wenigstens mehrheitlich erfüllte.
• Eine Headline, die ein Ausrufezeichen braucht, schreit durch die Gegend und ist keine Headline, sondern Gebrüll.
Gerät immer mehr in Vergessenheit. Wie zivilisiert und gleichzeitig wirkungsvoll könnte alles sein ohne das ständige Megafon im Anschlag.
• Führen ohne Kommunikation ist ein Widerspruch in sich.
Speziell zu Beginn der Pandemie konnte man beobachten, wie eng (plötzlich) der Kontakt zwischen Führungskräften und ihren Teams geworden ist oder werden musste. Meist remote – den Umständen geschuldet. Effekte: Die Teams haben meist die ungewohnte Nähe geschätzt, auch die Führenden. Nach ein paar Wochen wurde die Tuchfühlung vielleicht zu eng, aber das Prinzip blieb gut sichtbar.
• Konflikt-Management ohne Kommunikation funktioniert nicht.
Ja. Eh. Werden die meisten jetzt sagen. Und doch ist es so, dass die Weigerung, zu kommunizieren die Quelle der meisten zwischenmenschlichen Verwüstungen ist.
Eine offene Frage – W-Frage! – ist halt schon einmal die halbe Miete.
Also Fragen, die mit W anfangen: Wer, Was, Wann, Wie, Wo, Wohin, Woher, Womit, Wozu, … Aber kein Warum/Wieso/Weshalb, denn das sind Verhörfragen und die verursachen Angeklagte und Rechtfertigungsdruck.
Dauerbrenner in meinen Seminaren, stets anfangs begleitet von liebenswürdigem Zweifel. Gegenprobe: Man versuche die Frage „Alles Klar?“ und aus einer Ja-Antwort zu entnehmen, WAS die Befragten wirklich verstanden haben.
Das ist der Unterschied zwischen einer offenen W-Frage und einer geschlossenen Frage, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Und: Jedes, wirklich jedes „Warum/Wieso/Weshalb“ kann durch eine andere W-Frage ersetzt werden. Jedes.
• „Du verstehst mich nicht“ ist die bösartigste Ansage der Welt.
Was ist die Netto-Botschaft von „Du verstehst mich nicht“?
Die Netto-Botschaft bei den EmpfängerInnen = Du bist blöd.
Wie oft schicken wir einander diese dahingesagte Handgranate?
Was wäre das Gegenstück? Die Ich-Botschaft.
Sie beschreibt nicht, was der andere Mensch TUT, sondern wie das Verhalten der anderen Person auf mich WIRKT.
Die Zauberformel dafür: Ich bin + Adjektiv. „Ich bin traurig, zornig, wütend, fassungslos…“
Aber auch: „Ich bin glücklich, begeistert, verliebt…“
Niemand kann mir in Abrede stellen, ich wäre wütend. Oder auch verliebt 🙂
Entscheidend ist, was nach dem Komma kommt.
Also nicht „Ich bin ratlos, weil DU mich nicht verstehst“, sondern
„Ich bin ratlos, weil ich mich nicht verständlich machen kann.“
Betritt nicht das Schlachtfeld des Gegners – hat vor 2600 Jahren schon der alte Sun Tsu gesagt. Und der Sonnberger ergänzt: Weil dort steht der Watschenbaum. Und von dem fällt genau die Ohrfeige runter, auf der mein Name geschrieben steht.
Es könnte vieles leichter, lustiger, schöner, wirkungsvoller sein.
Wenn wir uns auf die Magie der Kommunikation besinnen könnten.